Oscar Peterson


Es ist eine Tatsache, dass viele große Jazzpianisten auf Bösendorfer Flügeln spielen. Der bedeutendste ist wohl der kanadische Virtuose Oscar Peterson. Wenn er von seiner Begegnung mit dem Imperial sprach, hört sich das wie eine Liebesgeschichte an:

Während meiner Zeit bei Jazz At The Philharmonic kamen mir einige europäische Klaviere unter die Finger. Am liebsten denke ich da an zwei wunderbare Instrumente, an ein dänisches von Hornung & Mueller und an den Wiener Bösendorfer. Dem ersteren bekam leider das kanadische Kilma nicht, er wollte einfach nicht gestimmt bleiben, daher mußte ich mich bei aller Liebe von ihm trennen. Der Bösendorfer hingegen war unglaublich - besonders der, dem ich Ende der siebziger Jahre in Wien bei einem meiner Touren begegnete: dem "Imperial". Ich ging noch während des Applauses hinaus, direkt hinter die Bühne zu Norman Granz, meinem Manager, und brüllte:

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Oscar Peterson 1977 in München

"Verdammt, Norman, wo kommt diese Kiste her? So eine muss ich haben!" 
Ruhig wie immer sah er mich an und anwortete: 
"Wenn sie Dir so gut gefällt, dann geh' doch zurück auf die Bühne und spiele einige Zugaben!"
Ich gehorchte: 
"Wir spielten zumindest vier Zugaben, weil ich von diesem Klavier nicht genug bekommen und, zumindest an diesem Abend, auf ihm nichts falsch spielen konnte." 

Mein Bassist Niels Pedersen bemerkte säuerlich: "Mist! Warum mußten sie Dir so ein gutes Klavier hinstellen? Jetzt zahlen wir drauf, weil Du heute wahrscheinlich nicht mehr nach Hause gehen willst!"

Er hatte beinahe recht. Normalerweise gehe ich vor einem Konzert nur selten auf die Bühne, wenn es nicht absolut nötig ist für einen Sound Check. Das Klavier auszuprobieren könnte zu einer vorgefaßten Meinung führen und somit den kreativen Prozeß beeinträchtigen, der für ein erfolgreiches Jazzkonzert so wichtig ist. Auch nach einem Konzert gehe ich fast nie mehr auf die Bühne, weil ich das Gefühl habe, während des Abends alles gesagt zu haben, was ich zu sagen hatte. Aber an diesem Abend in Wien war alles anders. Ich trödelte hinter der Bühne herum, bis das Publikum weg war, dann sprintete ich förmlich zurück zu dem Klavier, um mich noch einmal in seine unglaubliche Tonqualität zu versenken.

Das nächste Mal in Wien wurde ich von Bösendorfer vom Hotel abgeholt. Wir wurden durch den gesamten Herstellungsprozess - vom Anfang bis zur Vollendung des Klaviers - geführt. Und zum Abschluss durften wir in den Klaviersalon. Das war es! Vor mir standen 15 oder 20 Konzertflügel - aber was für welche! Und ich durfte sie alle ausprobieren, eins nach dem anderen, um meine Wahl zu treffen. Es war wirklich unglaublich! Instrument um Instrument bot sich mir in einer selbstlosen, erfüllenden Weise dar, jedes mit seiner eigenen, besonderen Stimme. Ich sah Norman mit einem offenbar so fassungslosen und ehrfurchtsvollen Blick an, dass er herüberkam und ruhig sagte: "Lass Dir Zeit, OP. Du musst Dich heute noch nicht entscheiden. Vielleicht ist es sogar besser, wenn wir nach der Tour wiederkommen und dann ohne Druck unsere Entscheidung treffen." Und dann spielte ich ein Instrument an, das zu mir sprach, auf eine Weise, wie ich es nie vorher gehört hatte: Der Klang schien durch meine Finger, die Arme entlang, in den ganzen Körper zu fließen: "Das ist es!", schrie ich aufgeregt, "das gehört mir!" Ich hatte das schönste Instrument gefunden, auf dem ich je gespielt hatte, und genau das dieses Instrument wollte ich. Mit Herzklopfen nahm ich Bösendorfers Angebot an, mir nach den letzten Checks den Flügel nach Toronto zu schicken.

 


Quellenangabe: Oscar Peterson, A Jazz Odyssey, Continuum, London/New York, 2002